Ich heiße Irina Karmazina, bin gerade 34 geworden. In meinem Leben als verantwortungsvolle Erwachsene bin ich Deutschlehrerin an einer privaten Hochschule. Und in meinem Herzen und in der Freizeit bin ich leidenschaftliche Radsportlerin.
Ich komme ursprünglich aus Russland, aus einer kleinen nordischen Stadt hinter dem Polarkreis mit ewigen Polarnächten, denen Polartage zur Abwechslung kommen. Ich habe aber schon fast die Hälfte meines Lebens in anderen Ländern verbracht, darunter auch fünf Jahre in Deutschland, genauer im sonnigen Freiburg.
Seit fast acht Jahren lebe ich schon in Kolumbien. Zuerst war ich an der Karibikküste und die letzten dreieinhalb Jahre in der Hauptstadt, Bogotá. Hier habe ich auch mit dem Radsport angefangen. Fahrradfahren konnte ich natürlich schon länger, war in Deutschland immer mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs. In Deutschland habe ich auch meine ersten Bikepacking-Reisen unternommen, die aber sehr bescheiden im Vergleich zu den jetzigen waren. Ich hatte aber nie daran gedacht, dass ich irgendwann richtig trainieren würde und dass Fahrradfahren eine richtige Leidenschaft wird. Aber es war auch unmöglich, mich mit der Liebe zum Radsport nicht anzustecken, wenn ich schon im Land solche weltbekannter Radsportler wie Nairo Quintana, Egan Bernal und Rigoberto Urán lebe.
Seitdem ich vor zweieinhalb Jahren mein erstes Rennrad und dann nach einem Jahr mein Gravelbike gekauft habe, fahre ich auf den Straßen und Schotterwegen rund um Bogotá und durch Kolumbien.
Meistens sind es kleine Orte oder Berge, denn davon gibt es richtig viele in meiner Region in der Nähe von Bogotá. Die Ferien oder wegen der unzähligen Feiertage lange Wochenenden nutze ich für Radtouren. Sie verbinde ich gerne mit den touristischen Zielen, die ich am Anfang meines Aufenthalts in Kolumbien besichtigt habe. Es ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man da mit dem Fahrrad ankommt. Je mehr freie Tage ich habe, desto länger und weiter sind die Reisen.
Jede Radtour wird geplant, indem ich auf die Landkarte schaue und mir überlege, welchen von den von mir einmal besuchten Orten ich gerne mit dem Fahrrad erreichen möchte. Oder welche Gegend ich noch nicht kenne und gerne erkunden würde. Dabei hilft mir meistens Komoot, das aber oft Überraschungen parat hat: Wege, die im Nichts enden oder eher für Downhill geeignete Abstiege, private Grundstücke ohne Durchgang. Es ist aber immer ein Teil des Abenteuers und nachdem man genug geschwitzt und gelitten hat, wird darüber gelacht.
Rund um die Stadt habe ich eine Ranking-Liste von Routen, die ich gerne immer wieder fahre und mit geschlossenen Augen fahren könnte.
In der letzten Zeit fahre ich mehr mit meinem Gravelbike, da ich die Ruhe der Schotterwege, die Landschaften und den entspannten Rhythmus mehr genieße. Meine erste Liebe, mein treues Rennrad fühlte sich aber vernachlässigt und zum Turbotrainer verdonnert. Daher organisiere ich meine Wochenenden jetzt so, dass ich einen Tag dem Rennrad und den anderen den Kiesstraßen widme. Wchtiger Bestandteil meines Fahrrad-Setups ist in jedem Fall eine Tüte mit Hundefutter. Ich treffe so viele süße Straßenhunde unterwegs, dass ich ihnen gerne ein bisschen mehr als nur Liebe und ein paar Streicheleinheiten schenken würde. Ihre unendliche Dankbarkeit ist dabei der beste Preis!
Seitdem ich leidenschaftlich Rad fahre, habe ich festgestellt, dass es für mich die beste Therapie ist. Mein Motto ist dabei: Whatever the doubt, ride it out! Einige der wichtigsten Entscheidungen wurden auf zwei Rädern getroffen, Lösungen für knifflige Probleme gefunden und schwierige Situationen überwunden. Auf meinem Fahrrad bin ich frei: geistig und seelisch, aber auch geographisch: Es gibt keinen Ort, den ich mit dem Fahrrad nicht erreichen kann. Und auf Radtouren kommt man an solche Orte, die man sonst nie im Leben besuchen würde: kleine verschlafene Dörfer mitten im Nichts, versteckte Wasserfälle und bezaubernde Täler. Nur so lernt man das Land, und auch sich selbst, richtig kennen.
Immer morgens. Früh am Morgen ist meine Motivation am höchsten, später gewinnen die Bettdecken und lassen mich nicht los. Deswegen muss ich so früh wie möglich starten, normalerweise um 5:30-6 Uhr, sobald es hell wird. Es gab aber auch Zeiten, wo ich um 4 Uhr losgefahren bin. Der Sonnenaufgang auf dem Fahrrad ist dann immer am schönsten.
Mein Ruhetag ist immer montags, unter der Woche trainiere ich jeden Tag, sei es zu Hause auf dem Turbotrainer oder draußen, auf kurzen Strecken. Das Gute an Bogotá: Man braucht nicht lange zu fahren, um einen Berg zu finden. Und das Wochenende ist komplett dem Fahrrad gewidmet.
Früher bin ich meistens alleine mit dem Fahrrad gereist. So konnte ich mit meinem eigenen Rhythmus fahren, da anhalten wo ich wollte, so viele Fotos machen, wie es mir danach war, und musste dabei keinen Druck verspüren. Gespräche mit mir selbst zu führen, ist letztendlich auch ziemlich interessant, ich habe es immer genossen. Nach der Pandemie hat sich aber die Situation mit der Sicherheit leider verschlechtert und jetzt bevorzuge ich, mindestens eine(n) Reisepartner(in) für meine Radtouren zu organisieren. Ich habe sogar schon ein etabliertes Grüppchen von Bikepacking-Enthusiasten, mit denen ich immer wieder etwas unternehme. Mein Freund ist auch Radsportler, das haben wir also gemeinsam und fahren gerne auf lange und kurze Strecken zu zweit oder mit anderen Fahrradfreunden.
Nur große Gruppen mag ich nicht, zu viele Menschen sind mir zu anstrengend und irgendwie unpersönlich.
So oft, wie es mir mein Leben als verantwortungsvolle Erwachsene erlaubt. Mein Traum ist es, auf eine lange 2-3-monatige Radtour zu gehen. Es ist nicht wirklich wichtig, wohin genau. Hauptsache mit dem Fahrrad neue Orte zu entdecken. Ich würde sehr gerne durch Europa, entlang der Route 66 in den USA, vom Norden nach Süden des Südamerikas fahren. So viele Träume und so wenig Zeit! In der Zwischenzeit nutze ich einfach jede Gelegenheit, um das zu machen, was schon tief in meinem Herzen ist und mir stets große Freude bringt und mich glücklich macht! :-)
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