Text & Fotos: Sarah Sembritzki | 24.12.2021
Mit tierfreier Power den wunderschönen Harz entdecken: Im Oktober 2021 fand die erste Ausgabe des Vegan Gravel Camp statt. Sarah Sembritzki vom Gravel Club Hamburg war für uns mit dabei. Hier berichtet sie von ihren Erlebnissen.
Wenn das mal nicht ideale Voraussetzungen für ein großartiges Wochenende mit ganz viel Schotter sind: Nachdem das Vegan Gravel Camp aufgrund der Pandemie nicht wie geplant im Mai stattfinden konnte, war meine Vorfreude auf den Ersatztermin im Oktober umso größer. Zumal die Wettervorhersage großartiges Herbstwetter versprach. Also ging es am Mittwoch für mich per Zug im Trainpacking-Style von Hamburg nach Bad Harzburg. Schon am Gleis in Hamburg traf ich Lisa, die ich zuvor bei einer Gravel-Club-Ausfahrt kennengelernt hatte. So verging die Zugfahrt wahnsinnig schnell.
Angekommen in Bad Harzburg sprang Lisa in den Bus in Richtung Oderbrück. Hätte ich vielleicht auch machen sollen, denn der Weg vom Bahnhof zum Camp hatte es in sich. 700 Höhenmeter, unbefestigte Wege, ein voll beladenes Fahrrad: Ja, das hatte ich wohl unterschätzt. Schon nach zwei Kilometern musste ich schieben. „Wenn das so los geht, können die nächsten Tage ja heiter werden“, dachte ich mir. Andererseits würde ich da ja nicht so schwer beladen sein. 22 Kilometer lang war die Fahrt zu „The Cabin“ in Oderbrück, wo ich super herzlich von den Organisator:innen Elke und David in Empfang genommen wurde.
Nach und nach trudelten die anderen Teilnehmer:innen ein. Im Aufenthaltsraum wurde sich schon lebhaft unterhalten. Am frühen Abend stand das erste gemeinsame Essen an, doch leider hatte die Küchencrew Startschwierigkeiten mit der Ausstattung. Wir ließen uns die Stimmung nicht trüben und nutzten die Gunst der Stunde, um uns einander in kleiner, entspannter Runde vorzustellen. Berlin, Dresden, München, Hamburg und mehr: Menschen aus allen Teilen Deutschlands. Dann war es endlich soweit und wir hungrigen Graveler:innen durften eine fantastische Lupinen-Bolognese mit Cashew-Parmesan und frischem Salat genießen. Vegane Energie für die Tour am nächsten Tag.
Let's roll: Am nächsten Morgen ewartete uns ein reichhaltiges Frühstücksbuffet. Es gab perfekt schlotziges Porridge, crunchiges Granola, warmes Bananenbrot mit Heidelbeeren, Brötchen, diverse vegane Aufstriche und nicht zu vergessen: gigantisch leckerer Rührtofu. Foodkoma vorprogrammiert! Mit vollgeschlagenem Bauch ging es dann in den beiden Gruppen "Easy" und "Sweaty" endlich los auf die Tour durchs Bodental. Ich wählte die längere Sweaty-Version mit 65 Kilometern und rund 1.000 Höhenmetern. Und praktisch von der Haustür weg ging es in den ersten Anstieg, den die Gruppe auch gleich mal schön übermotiviert in Angriff nahm. "Das Tempo halte ich niemals durch", dachte ich, doch zum Glück wurde es bald ruhiger. Bei den Anstiegen und Abfahrten fuhren alle nach persönlichem Gefühl, oben oder unten wurde auf die anderen gewartet.
Ungefähr auf halber Strecke teilte sich die Gruppe nochmal: Team Sweaty brauste mit ordentlich Bock auf Ballern davon, während Team Party Pace entspannt bei Sonnenschein und blauem Himmel auf herrlichstem Schotter durchs Bodental glitt. Dann ging das Abenteuer los: Weil eine Straße gesperrt war, mussten wir runter von der geplanten Route. Wir kämpften uns über umgestürzte Bäume und standen plötzlich vor einem Fluss. Als wir schon fast die Bikes auf den Schultern hatten, um durch das Wasser zu waten, bemerkten wir die nahe gelegene Brücke. Auf der anderen Seite gab es eine kleine Stärkung mit Cola, Pommes, Kuchen und Schierker Feuerstein. Was Radsportler:innen eben so brauchen.
Cola, Pommes, Kuchen und Schierker Feuerstein. Was Radsportler:innen eben so brauchen.
Zurück im Camp wartete schon Jens von Wash’n’ Roll mit seinem Rad-Putz-Workshop auf uns. Lektion eins: So wird das Gravelbike schnell und doch gründlich sauber. Selten hat Putzen mehr Spaß gemacht. Und zur Belohnung gab es erst Kuchen, dann Stretching und schließlich ein wahres Zauberwerk der Küchen-Crew: Linsen-Dal, Kürbis-Curry und Mango-Chutney.
Bergfest im Harz - Am zweiten Tag des Vegan Gravel Camp ging es ganz nach oben. Sprich: Auf den Brocken, mit seinen stolzen 1141 Metern nicht nur der höchste Berg im Harz, sondern in ganz Norddeutschland. Ich entschied mich wieder für die längere Strecke, für die diesmal 55 Kilometer und 1.200 Höhenmeter auf dem Plan standen. Wir starteten im Nebel und es war wirklich noch ziemlich frisch. Dafür ging es über einige sehr ruppige, technische Passagen, die mir persönlich echt Spaß gemacht haben. Auch wenn ich dachte, dass mir jeden Moment das Gravelbike auseinanderbricht. Erwartet hart war dann der Aufstieg zum Brocken. Aber dafür kam pünktlich zum Höhepunkt des Tages die Sonne raus.
Trotzdem kämpften wir uns wie in Zeitlupe den Berg hoch. Die Beine brannten und wir müssen sehr fertig gewirkt haben, zumindest den mitleidigen Blicken der uns entgegenkommenden Menschen nach zu urteilen. Kurz vor dem Gipfel legten Oliver und ich voller Euphorie noch einen kleinen Sprint ein. Dann war es endlich geschafft. Auf dem Brocken angekommen wurde schnell das obligatorische Gipfelfoto gemacht und dann nichts wie ab nach Hause, bevor wir im starken Wind völlig auskühlten.
Im Camp wartete schon wieder Foodkoma auf uns. Erst super leckerer Kuchen zur Aufmunterung beim Radputzen, dann verputzen wir selbst, und zwar die Reste des Abendessens von gestern. Und nach der Stretching-Session und einem kleinen Vortrag zum Thema Verletzungs-Prophylaxe ging es zum Abendessen mit frischem Salat und leckerem Gulasch mit Nudeln.
Wenn also wirklich noch irgendwer da draußen glaubt, mit veganer Ernährung übermäßigen Verzicht üben zu müssen oder gar völlig entkräftet vom Gravelbike zu fallen: Beim Vegan Gravel Camp könnt ihr euch sehr eindrücklich und vor allem lecker vom genauen Gegenteil überzeugen.
Alles easy – nach zwei schönen aber auch harten Tagen spürte ich meine Beine doch ein wenig. Deshalb entschied ich mich für den letzten Tag des Vegan Gravel Camp für die Easy-Tour. Wobei der Begriff "Easy" hier relativiert werden muss, denn bei der Tour durchs schöne Tal der Oker galt es auch schon wieder 66 Kilometer und fast 1.400 Höhenmeter zu bezwingen.
Los ging's in der großen Gruppe auf der Straße. Mit gut zwei Dutzend Menschen in Zweierreihe eine viel befahrene Straße hinabzurauschen, strapazierte doch ein wenig meine Nerven. Umso erleichterter war ich, als wir den Asphalt hinter uns ließen. Endlich wieder Schotter unter den Reifen! Der Romkerhaller Wasserfall markierte die Halbzeit unserer Strecke. Was soviel bedeutete wie: Jetzt geht es fast nur noch bergauf. Aber nicht ohne die bewährte Harzer Gravelbike-Stärkung: Bei der ausgiebigen Pause am romantischen Jagdschloss im Königreich Romkerhall gönnten wir uns Pommes, kalte Cola, Kaffee - und manche einen Schierker Feuerstein, den Kräuterlikör aus dem Harz.
Gut gesättigt griffen wir an und es ging sehr lange vor allem bergauf. Nur gelegentlich konnten wir es auf kleinen Bergab-Passagen rollen lassen. Doch der Ausblick über die Weite des Mittelgebirges entschädigte für alle Qualen. Vor Oderbrück erwartete uns schließlich die größte Herausforderung des Tages, mit acht Kilometern und 350 Höhenmetern von der Bergstadt Altenau über Torfhaus zurück ins Camp. Die Strecke zog sich wie ein Kaugummi. Doch irgendwann kamen wir alle völlig erledigt, aber super happy im Ziel an.
Ein letztes Mal wurden wir mit Kuchen verwöhnt: Zur Wahl standen Cheesecake mit Himbeersoße und Karottenkuchen mit Schokoglasur. Wenn das Leben doch immer nur so einfach wäre. Und vor allem so lecker. Apropos lecker: Natürlich wurden wir auch beim Abendessen wieder richtig verwöhnt. Mit einem tomatigen Chili sin Carne. Dann ließen wir das Vegan Gravel Camp bei Kartenspiel, Schierker Feuerstein und leckeren, veganen Kochbananen-Chips ausklingen.
Bis(s) zum nächsten Mal - der Tag des Abschieds vom so leckeren Vegan Gravel Camp startete ganz entspannt. Wer wollte, konnte morgens mit Elke und David zum Trailrun auf den Achtermann starten. Dafür hatte Hoka Trailrunning-Testschuhe zur Verfügung gestellt. Doch mir steckten die vergangenen Tage noch in den Beinen, also kuschelte ich mich lieber noch ein bisschen länger ins Bett. Nach dem wieder grandiosen Frühstück hieß es dann Abschied nehmen. Mit Lisa und Paul rollte ich zum Bahnhof nach Bad Harzburg. Und diesmal ging es ja zum Glück nur bergab. Unterwegs schnappten wir uns noch ein paar Stempel für das Harzer Wandernadel-Stempelheft. Der strahlend blaue Himmel mit Sonnenschein machte uns den Abschied nicht leicht und wir fuhren wehmütig, aber mit tollen Erinnerungen Richtung Heimat.
Du willst auch mal mit (sehr, sehr viel) veganer Power über die schönsten Schotterwege graveln? Dann nichts wie los. Auch für das Jahr 2022 haben Elke und David schöne Events für euch parat.
Über Sarah: Läuft bei ihr! Die Frau aus Hamburg kommt eigentlich vom Laufsport und hat diverse Halbmarathons und auch Marathons absolviert. Im Sommer 2020 entdeckte sie schließlich das Gravelbike. Seitdem erkundet sie die Schotterwege rund um Hamburg, macht sich auf Tagestouren nach Lübeck oder Ratzeburg, oder absolviert spontan ihre erste Bikepackingtour alleine nach Zingst. Sarah liebt das Abenteuer und fuhr praktisch gleich zum Start ihrer "Gravel-Karriere" den Orbit360 Hamburg, mit seinen geschmeidigen 230 Kilometern. Und beim KOM Berlin fuhr sie vier Stunden lang bei Regen im Kreis - und hatte trotzdem viel Spaß dabei.
Ganz wichtig: Wenn Sarah auf ihrem Liv Devote Gravelbike die Welt entdeckt, darf die Kamera nicht fehlen. "Es fällt es mir immer sehr schwer, einfach an schönen Orten vorbei zu fahren, ohne ein Foto zu machen. Das ist sozusagen meine Berufskrankheit als Fotografin", verrät sie.
Und ganz nebenbei ist Sarah übrigens auch unsere Frau im Gravel Club Hamburg.