Unbound Gravel 2023 Vorschau
Das Unbound Gravel gilt als das wichtigste Gravelbike-Rennen des Jahres. Gravel Collective hat mit den deutschen Starter:innen gesprochen – und die wichtigsten Infos.
Text: Felix Krakow | Fotos: Life Time | 05.06.2023
Von Schlammschlacht zu Hitze zu Unwetter: Das Unbound Gravel 2023 hatte es wahrlich in sich. Viele Favorit:innen blieben auf der Strecke. Und am Ende hatte Carolin Schiff aus Bremen als Siegerin des Frauenrennens gut lachen. Bei den weiteren deutschen Starter:innen gab es Licht und Schatten. Gravel Collective hat sie gefragt, wie das Rennen des Jahres für sie gelaufen ist.
Was für ein Rennen. Und was für ein Ergebnis. Carolin Schiff hat das 322 Kilometer lange Unbound Gravel in den USA gewonnen. Und sich damit zur inoffiziellen Gravelbike-Weltmeisterin gekürt. Dabei sah es für die flotte Frau aus Bremen zunächst nach allem aus, aber nicht nach einem erfolgreichen Tag auf dem Gravelbike. Grund: Heftige Regenfälle hatten die Offroad-Pisten in Kansas in reine Matschgruben verwandelt. Die Amerikaner:innen sprechen hier von Peanutbutter Mud. Also von furchtbar klebrigem Matsch mit der Konsistenz von Erdnussbutter. Die Folge: Der Matsch setzt die Reifen zu, bis diese auf ein Volumen anwachsen, mit dem sie kaum noch bis gar nicht mehr durch den Rahmen passen.
"Nach zwei Sekunden hat sich am Rad gar nichts mehr gedreht und das Rad hat ungefähr 30 Kilo gewogen."
Schon zehn Kilometer nach dem Start ging es in die erste Matschpassage. „Sowas habe ich noch nicht erlebt. Nach zwei Sekunden hat sich am Rad gar nichts mehr gedreht und das Rad hat ungefähr 30 Kilo gewogen“, verrät Carolin Schiff nach dem Rennen. Fast eine Stunde lang musste sie laufen, das Gravelbike über der Schulter. „Danach wusste ich überhaupt nicht mehr, wo ich im Rennen liege“, gesteht sie. Immerhin konnte sie nach einem kurzen Bike-Check überhaupt weiterfahren. „Viele Leute hatten sich hier schon das Schaltwerk abgerissen oder sonstige Defekte erlitten“, sagt sie.
Die Frau aus Bremen hingegen konnte durchstarten. Kurz vor dem ersten Checkpoint hatte sie die in Führung liegende Titelverteidigern Sofía Gómez Villafañe eingeholt. Die jedoch zeigte wenig Interesse an einer gemeinsamen Fahrt und leistete keine Führungsarbeit. „Da war mir klar, dass ich attackieren und es alleine entscheiden muss“, sagt Carolin. Am nächsten Anstieg griff sie an. Und plötzlich fuhr sie allein. 150 Kilometer vor dem Ziel. „Da war ich mir kurz nicht sicher, ob das jetzt so eine gute Idee ist“, sagt sie. Doch am nächsten Checkpoint war der Vorsprung so groß, dass die Zuversicht wuchs. Es lief gut – bis auf die Rückenschmerzen vom Tragen des Rades am Anfang. Doch alles hielt, so dass Carolin nach 11:46:39 Stunden klitschnass aber glücklich das Ziel erreichte. „Im Ziel konnte ich mich dann nicht mehr bewegen. Aber da war es dann auch egal“, erklärt Carolin angesichts des größten Erfolgs ihrer noch jungen Gravelbike-Karriere.
Eine Viertelstunde nach Carolin rollte Titelverteidigern Sofía Gómez Villafañe ins Ziel, Platz drei sicherte sich Sarah Sturm aus Colorado weitere sieben Minuten später.
Mit Jade Treffeisen und Svenja Betz auf den Plätzen 10 und 11 erreichten auch die anderen beiden deutschen Starterinnen trotz widriger Umstände das Ziel. „Erst war es eine Schlammschlacht, dann eine Hitzeschlacht, dann kam Regen wie beim Weltuntergang und schließlich nochmal Schlamm“, sagt Jade und bilanziert: „Ich fand es krass, wie viel man in 200 Meilen durchleben kann.“ Auch sie kam ohne Defekt durch den Matsch und lag gut im Rennen. „Leider hatte ich dann etwa zehn Kilometer nach der ersten Verpflegungszone einen Platten“, verrät sie. Nachdem sie den Reifen per Plug repariert hatte, konnte es weitergehen. Ihre Gruppe musste sie aber ziehen lassen. „Trotzdem denke ich, dass Platz 10 fürs erste Mal ziemlich solide ist.“
Genau zehn Minuten nach Jade rollte Svenja ins Ziel in Emporia, wo sie 12:39:59 Stunden zuvor gestartet war. Svenja blieb trotz Schlammschlacht von Defekten verschont, hatte allerdings Pech in der ersten Verpflegungszone. „In dem Chaos dort habe ich etwas Zeit und damit leider auch meine Gruppe verloren“, verrät sie. Deshalb musste sie über weite Strecken alleine durch den jetzt heißen und trockenen Tag fahren. Kurz vor der letzten Verpflegungsstation gabe es dann nochmal ein Unwetter mit Sturm und Platzregen. „Da hast du nichts mehr gesehen und konntest im Wind kaum auf dem Rad bleiben.“ Als dann noch Blitz und Donner folgten, wurde es Zeit sich unterzustellen. „Das wurde echt gefährlich“, sagt Svenja. Nach Gewitter und Verpflegung ging sie gut gelaunt auf die letzten 60 Kilometer, konnte noch einige Frauen überholen, nur um dann nochmal in eine Matschpassage zu geraten. Doch die konnte sie auch nicht mehr aufhalten. „Im Ziel dachte ich, ich wäre deutlich weiter hinten“, sagt sie und schwärmt von ihrem Material und den Reifen. Trotzdem hat sie zwischenzeitlich gedacht: „Dieses Rennen fahre ich nie wieder!“ Mittlerweile hat sie aber doch schon wieder Bock und sagt: „Diesen Tag werde ich nie vergessen.“
Platz | Sieger | Zeit |
1 | Carolin Schiff (GER) | 11:46:39 |
2 | Sofía Gómez Villafañe (USA) | 12:01:50 |
3 | Sarah Sturm (USA) | 12:08:09 |
4 | Danni Shosbree (UK) | 12:08:20 |
5 | Sarah Lange (USA) | 12:15:40 |
6 | Rebecca Fahringer (USA) | 12:24:30 |
7 | Haley Smith (USA) | 12:24:57 |
8 | Leah Van der Linden (USA) | 12:28:29 |
9 | Holly Mathews (USA) | 12:29:29 |
10 | Jade Treffeisen (GER) | 12:29:56 |
11 | Svenja Betz (GER) | 12:39:59 |
Weniger gut lief das Rennen des Jahres für Paul Voß. Der einzige deutsche Unbound-200-Starter im Feld der männlichen Profis musste nach 210 Kilometern aufgeben. „Bis dahin habe ich mich gut gefühlt und war gut dabei“, sagt er. Doch dann hat es ihm nach eigener Aussage „die Muskulatur zerhackt“. Grund waren die Schuhe. Denn aufgrund der matschigen Strecke wechselte Paul kurzfristig von Straßen- auf Mountainbike-Schuhe. „Die Cleats waren zwar eingestellt, aber es war nicht zu 100 Prozent identisch mit den Straßenschuhen“, verrät er. Trotzdem war auch Paul nach dem Rennen glücklich. Und zwar über die Leistung der Frauen. „Caro hat eine tolle Show abgezogen“, sagt er und hofft: „Dass das gerade auf der weiblichen Seite im deutschen Gravelbike-Sport etwas bewegt."
Den Sieg bei den Männern sicherte sich der Vorjahreszweite Keegan Swenson im Sprint einer siebenköpfigen Gruppe mit einer Zeit von 10:06:02 Stunden. Petr Vakoc und Ex-Rennradprofi Lachlan Morton kompletieren das Podium.
Henning Bommel beendete das Rennen auf Rang 62 der Hobbywertung mit einer Zeit von 13:30:08 Stunden.
Platz | Sieger | Zeit |
1 | Keegan Swenson (USA) | 10:06:02 |
2 | Petr Vakoc (CZE) | 10:06:03 |
3 | Lachlan Morton (USA) | 10:06:05 |
4 | Laurens ten Dam (NED) | 10:06:08 |
5 | Ian Boswell (USA) | 10:06:08 |
6 | Russell Finsterwald (USA) | 10:06:09 |
7 | Peter Stetina (USA) | 10:06:10 |
8 | Adam Roberge (CAN) | 10:37:03 |
9 | Zach Calton (USA) | 10:37:03 |
10 | Jasper Ockeloen (NED) | 10:37:03 |
Licht und Schatten für die deutschen Starter gab es auf der 560 Kilometer langen XL-Strecke des Unbound. So gaben der Vorjahresweite Marius Karteusch und Badlands-Sieger Sebastian Breuer das Rennen nach etwa halber Strecke auf. So wie die meisten anderen Favoriten und viele, viele weitere Starter:innen auch. „Das ist nicht normal, wie dieser Matsch klebt“, berichtet Marius und zieht einen martialischen Vergleich: „Das ist wirklich Krieg.“ Teilweise mussten die Sportler:innen kilometerweit durchs Feld schieben, weil selbst das auf dem eigentlichen Weg nicht mehr möglich war. Und wenn es doch mal ging, setzten Reifen und Rahmen sofort wieder mit Matsch zu. „Zwischendurch musste ich 350 Watt treten, nur um irgendwie vorwärtszukommen“, sagt Marius.
Sebastian Breuer gesteht, dass er noch ein paar Tage braucht, um die Sache zu verarbeiten. „Ich bin mit viel Motivation angereist und wusste, wie gut die Form ist“, sagt er. Doch Glück gehöre auch dazu – und das habe er mit seiner Kette nicht gehabt. „Ich habe alles versucht, um die Kette vom Dreck zu befreien. Aber keine Chance“, so Sebastian. Vor seiner Aufgabe musste er die Spitzengruppe bereits wiederholt ziehen lassen, um den Antrieb vom Dreck zu befreien. Sogar die Kettenführung hat er demontiert.
Auch Ulrich Bartholmoes kann ein Lied von dem Leiden im Matsch singen. „Bis dahin war es cool. Dann kam der Matsch und es war komplett scheiße“, gesteht er. „Wir sind zu fünft dreieinhalb Stunden gelaufen. Und dann hat uns plötzlich ein Typ auf einem Mountainbike überholt“, so Ulrich. „Der Typ“, das war Logan Kasper. Während die anderen schoben, fuhr er dank viel Reifenfreiheit nicht nur einfach weiter, sondern auch einen nicht mehr einzuholenden Vorsprung heraus. So konnte er das Rennen in 22:54:25 Stunden gewinnen. Mehr als eindreiviertel Stunden vor dem Zweitplatzierten Luke Hall und mehr als zwei Stunden vor Ulrich, der als Dritter ins Ziel kam. „Ich hatte nicht damit gerechnet, 300 Kilometer komplett alleine zu fahren“, sagt Ulrich und gesteht, dass es anstrengender war als gedacht: „Aber mit dem Ergebnis bin ich zufrieden“. Für Ulrich ging es übrigens direkt weiter ins kanadische Banff, wo er kommendes Wochenende zur Tour Divide starten wird. Diesmal allerdings auf einem Mountainbike.
Bei den Frauen erreichten übrigens nur zwei Frauen das Ziel des Unbound XL. Kristen Legan gewann das Rennen nach 26:06:36 Stunden gut zwei Stunden vor Anne-Marije Rook.
Platz | Sieger | Zeit |
1 | Logan Kasper (USA) | 22:54:25 |
2 | Luke Hall (USA) | 24:40:44 |
3 | Ulrich Bartholmoes (GER) | 25:00:10 |
4 | Geoffrey Langar (KEN) | 25:36:28 |
5 | Chris Mehlman (USA) | 26:00:14 |
6 | Scott Myers (USA) | 26:06:03 |
7 | John Skarupa (USA) | 26:06:03 |
Platz | Siegerin | Zeit |
1 | Kristen Legan (USA) | 26:06:35 |
2 | Anne-Marije Rook (USA) | 28:03:32 |
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