Lakes and Knödel 2024: Ein Gravel-Bikepackingevent
Leona ist bei Lakes and Knödel 2024 von Fuschl am See bis zum Bodensee gefahren. Hier berichtet sie, was sie auf dem Gravel-Bikepacking-Event erlebt hat.
Text: Felix Krakow | Fotos: Dan Zoubek | 03.10.2022
Einmal quer durch die Republik: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sind wir von der alten in die neue Hauptstadt gegravelt. Und wo wir schon dabei waren, haben wir bei "Tour Unite" gleich noch ein paar Gravelbikes ausprobiert.
Es ist ein früher Morgen, mitten in Deutschland, irgendwo zwischen Bonn und Berlin. Ein sehr früher Morgen. Unaufhörlich prasselt der Regen auf die dünne Zelthaut. Die halbe Nacht geht das jetzt schon so. Unaufhörlich rasselt ein Freilauf direkt neben meinem Zelt, seit Minuten geht das jetzt schon so. Ich versinke noch ein wenig tiefer in den kuscheligen Weiten meines Schlafsacks. Doch es hilft alles nicht. „Abfahrt“ ruft Sascha und lässt den Freilauf seines Salsa Cutthroat nochmal extra laut erklingen. „Berlin wartet!“
Und er hat ja recht. Wir müssen raus aus den Zelten und rauf auf die Gravelbikes, wenn wir die Hauptstadt wie geplant am Abend erreichen wollen. Endlich! Nach fünf Tagen. Oder besser gesagt: nach vier Jahren. So lange ist es nämlich her, dass mein Fotografen-Kumpel Dan und ich uns erstmals aufmachten, um vom Westen Deutschlands aus per Gravelbike nach Berlin zu fahren. Die Fahrt im Rahmen des Candy B. Gravellers auf den Spuren der Rosinenbomber von Frankfurt am Main nach Berlin scheiterte auf halber Strecke. Ich hatte mich in einer der kalten Aprilnächte bei Minusgraden im Zelt erkältet. Scratch. Beim zweiten Versuch im vergangenen Jahr kamen wir nur gute 100 Kilometer weit. Diesmal wollten wir auf dem Radweg der Deutschen Einheit von Bonn nach Berlin fahren. Doch schon kurz hinter Koblenz musste ich mit Knieschmerzen abbrechen.
Jetzt also der dritte Versuch – und ich bin fast ein wenig überrascht, als Dan gleich begeistert zusagt. Der Plan: Auf kürzestem Weg dem Gravelbike, Zelt und Schlafsack von der alten in die neue Hauptstadt. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung vom ehemaligen Bundestag in Bonn zum Reichstag in Berlin. Die Tour nutzen wir gleich, um Bikes und Equipment zu testen. „Aber diesmal musst du abliefern“, stellt Dan noch am Telefon klar.
Mit dem Routenplaner von komoot planen wir die Strecke als Mehrtagestour. Anschließend veröffentlichen wir die fertige Route und fragen die Community: „Wer hat Vorschläge zur Optimierung der Strecke? Wer hat Tipps für Unterkünfte? Und vor allem: Wer will mitfahren?“
So ist etwa Felix zu uns gestoßen, der mit dem Rad von Dresden zu Freunden bei Dortmund gefahren war und sich uns für den Rückweg gen Osten kurzerhand angeschlossen hat. Oder Annika die jetzt an diesem viel zu frühen Morgen verschlafen aus ihrem Zelt blinzelt. Dan mosert in seinem Schlafsack über das „nicht fototaugliche Wetter“, während Sascha fröhlich weiter seinen Freilauf ertönen lässt. Und dann hätten wir da noch Basti, meinen alten Schulfreund, der offensichtlich auch heute nicht aus seinem Zelt krabbeln möchte, bevor alle anderen praktisch schon im Sattel sitzen.
Doch trotz Müdigkeit, Regen und nassen Zelten liegt eine besondere Stimmung über der Gruppe. Schließlich trennen uns nur noch 120 Kilometer von unserem Ziel. Vier Tage bei überwiegend ziemlich miesem Wetter haben wir geschafft, da packen wir den Rest auch noch. „Lass uns eine schöne Radtour machen. Im Juli. Was soll schon schiefgehen“, meckert Dan halb scherzend. Der Mann braucht offensichtlich einen Kaffee. Ich auch. „An der ersten Bäckerei halten wir an“, verspreche ich. Also Reißverschluss rauf, raus in den Regen, Sachen packen und los. Kann ja keiner ahnen, dass die Aussage „bis zur ersten Bäckerei“ in der Weite Sachsen-Anhalts und Brandenburgs ziemlich genau der Entfernungsangabe „in 60 Kilometern“ entspricht.
Also beiße ich auf der letzten Etappe erst in meinen Energieriegel und dann auf die Zähne, um irgendwie den Anschluss an die Gruppe zu halten. „Zieht Annika vorne schon wieder das Tempo an?“, frage ich den von leichten Knieschmerzen geplagten Felix. Er zuckt mit den Schultern. „Was willste machen. Die ledert uns hier alle ab.“ Wohlgemerkt mit dem wahrscheinlich schwersten Setup, dem günstigsten Bike, der berguntauglichsten Übersetzung – und Turnschuhen. Felix zaubert mir noch einen leckeren Energieträger aus der Tasche auf seinem Oberrohr: „Komm schon, dranbleiben!“
So ähnlich hat er mich auch schon vor zwei Tagen gerettet. Oben im Harz, als wir uns im strömenden Regen den längsten Anstieg der Tour hinaufkämpften, den 720 Meter hohen Stöberhai. Nur um oben am „Aussichtspunkt“ keine 50 Meter weit gucken zu können. „Aber was soll im Juli schon passieren“, fluchte ich nicht nur leicht genervt. Bloß schnell weiter in die Abfahrt, bevor wir da oben noch auskühlen. Denn merke: Selbst im Regen hat so ein Berg eben auch immer eine schöne Seite – speziell, wenn du auf dem passenden Bike sitzt. So wie Basti, der neben mir schon wieder sein leicht undifferenziert angehauchtes Urteil des Specialized Diverge in den Wald schreit: „Was für ein geiles Rad!“, schwärmt er, um seine Aussage später durchaus noch zu präzisieren, Vortrieb, subtile Federung und griffige Reifen zu loben und abschließend zu verkünden: „Ich habe mich noch nie auf Anhieb so wohl auf einem Rad gefühlt.“ Schön, dass er glücklich mit seinem Testbike ist, schließlich wird Basti als einziger der Gruppe nicht nur per Bike von Bonn nach Berlin, sondern auch wieder zurück fahren. Da lässt er sich auch nicht davon stören, dass der Hufnagel, denn er sich am zweiten Tag auf einer Abfahrt perfekt in den Reifen rammt, das Tubeless-Setup an seine Grenzen bringt.
Apropos Grenzen: Wo diese bei unserer Mitfahrerin Annika liegen, können wir während unserer Tour leider nicht ausloten. Auf jeden Fall deutlich jenseits meiner Leistungsfähigkeit und auch der manches weiteren Radsportlers in unserem Team. Ständig fährt sie uns vorne weg, wobei Dan irgendwann feststellt, dass sie schließlich einen Vorsprung rausfahren muss, um sich beim Warten eine Zigarette drehen zu können. Dabei war sie es, die sich im Vorfeld sorgen ob ihrer Fitness gemacht habt. „Ein weiteres Zeichen dafür, dass Frauen sich einfach oft viel mehr zutrauen sollten“, sagt sie am Abend, nachdem sie in Rekordzeit ihr Zelt aufgebaut hat und schon das verdiente Feierabendbier in der Hand hält: „Prost Jungs!“
So hat sich innerhalb weniger Tage eine Gruppe anfangs teils völlig unbekannter Menschen in eine verschworene Gravel-Gang verwandelt, in der jeder seine Stärken ausspielen und seine Schwächen mithilfe der anderen überwinden kann. Unterstützt von den Tagesfahrern wie Anke und Kathi auf der ersten Etappe, Alex bei der Regenfahrt durch den Harz oder Christian im Finale durch Brandenburg und Berlin. Den Vogel aber schießt Gunnar ab. Der Mann, der ohne Übertreibung als einer der Väter der deutschen Bikepacking-Bewegung vorgestellt werden darf, holt uns am dritten Tag an der Weserquerung ab und führt uns auf tollen, wenn auch weiterhin regnerischen Pfaden in seine Heimat Göttingen. Dort wartet nicht nur eine Runde durch das örtliche Radstadion, sondern vor allem diverse Pizzen in Familiengrößen, Kaltgetränke, eine Dusche für die Fahrer und Kettenöl für die Fahrräder. Diese Begegnungen sind es, die unsere Tour genauso ausmachen, wie das Entdecken der eigenen Heimat. Jede Region hat ihre ganz eigenen Reize, von den Höhen von Sauerland, Weserbergland und Harz, über Biggesee, Weser und Elbe bis in die weiten Ebenen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Dort angekommen kürt sich Dan als Local zum Guide für das große Finale zum Reichstag – inklusive der gefürchteten Sandpisten Brandenburgs. Als wir dann endlich im Berliner Stadtgebiet angekommen noch kreuz und quer durch den Grunewald und vor allem plötzlich bergauf anstatt flach zum Ziel rollen, schwant dem schwer erschöpften Autor dieser Zeilen fürchterliches. „Entschuldigung, wo sind wir denn hier?“, frage ich zwei Spaziergängerinnen am Wegesrand, die ziemlich genau unser Tempo halten. Der auf ihre Antwort „Na das ist der Weg zum Teufelsberg“ folgenden Fluch muss wohl quer durch die Hauptstadt zu hören gewesen sein. Und doch lohnen sich Umweg und Plackerei für den folgenden, fantastischen Blick über diese riesige Stadt, gepaart mit diesem Gefühl: „Wir haben es geschafft. Wir haben es endlich geschafft!“
Jetzt nur noch runter vom Berg, durch die Straßen der Stadt, über die letzten Schotterpassagen und durch die letzten Pfützen im Tiergarten und wir stehen vor dem Reichstag. Dreckig, verschwitzt, fertig – und vor allem: glücklich!
So schön und vielseitig ist dieser Sport, so schön und vielseitig ist dieses Land. Und in ein paar Tagen wird auch der Dauerregen vergessen sein. Dann bleiben nur die Erinnerungen an eine tolle Truppe auf tollen Bikes, an den Sonnenuntergang am Elbufer bei Rotwein aus Fahrradflaschen, an die typische Euphorie der letzten Kilometer des Tages … und vor allem Dans Frage: „Und was machen wir als nächstes?“
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